Lob der Differenz

Navid Kermani ist Schriftsteller und das, was man wohl zurecht einen Intellektuellen nennt. Seine Dankesrede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels und seine Rede im Deutschen Bundestag zur Feierstunde «65 Jahre Grundgesetz» gehören zum Klügsten, was meiner Meinung nach zu den jeweiligen Themenbereichen gesagt wurde.

In seinem Buch «Wer ist Wir?» widmet er sich den Fragen der (nationalen und individuellen) Identität, der Zugehörigkeit und der Inklusion und Integration. In dem Kaptitel «Lob der Differenz» reflektiert er aus einer ganz persönlichen Perspektive seine eigene Identität und wie sich dabei die Einflüsse seines Aufwachsens in Deutschland mit seinen kulturellen persischen Wurzeln verbinden und zu seiner Persönlichkeit geworden sind.

Mir ist beim Lesen irgendwann aufgefallen, wie inspirierend seine sehr persönliche und offene Schilderung auf mich gewirkt hat. Z.B. der Aspekt, dass er sich beim Sprechen im Persischen zuhause fühlt und im Schriftlichen in der deutschen Sprache; dass er mit seinen Kindern persisch spricht und darauf beharrt, als Wissenschaftler in deutscher Sprache zu publizieren, weil er nur in dieser Sprache sagen kann, was er zu sagen hat.

Für mich geht davon eine Bestärkung aus, mich ebenfalls immer wieder darauf zu besinnen, wo ich mich wohl und zuhause fühle und zwar unabhängig von jeglichen Vorgaben, wie «es zu sein hat» und wie es angeblich «richtig ist». 

Auch wenn Herr Kermani vermutlich nichts mit systemischem Arbeiten zu tun hat, trifft er für mich hier einen sehr wichtigen Punkt der systemischen Haltung: Ernst nehmen was ist und sich und andere darin annehmen. Auch wenn es manchmal sehr schwierig ist, dieses ganz eigene Empfinden gegen Widerstände zuzulassen und mit Leben zu füllen.

Ich kann Ihnen die Lektüre insbesondere dieses Kapitels nur empfehlen und wünsche Ihnen inspirierende und bestärkende Gedanken dazu.

Herzlich

Ihr Rainer Hörmann